Mein grober Plan war es mit dem Fahrrad Afrika von oben nach unten zu durchqueren, begünstigt wurde meine Entscheidung durch die kühlere Jahreszeit in den Wüsten im Norden. Um mich wieder an das Nomadenleben zu gewöhnen entfernte ich mich langsam von meiner gewohnten Umgebung und startete von Deutschland aus auf dem Weg gen Südosten in die Türkei. Afrika an der Ostseite zu durchradeln empfahl sich auf Grund einfacherer Visabeschaffung und weniger Turbulenzen im Bezug auf Sicherheit. Im Visier hatte ich Ägypten und Sudan für einen ersten Schritt, alles weitere sollte sich während der Reise zeigen. Ich hatte schwammige Vorstellungen ein Jahr für Afrika zu brauchen mit einem willkommenen Gefühl diesen Zeitraum auszudehnen.
Es war das erste mal in meinem Leben völlig frei zu sein, keinen zeitlichen Einschränkungen zu unterliegen, keiner der mich irgendwo irgendwann erwartet, kein Arbeitgeber der drängt mich von meiner Reise zurück zu haben. Ich durfte ein komplett neues Gefühl zur Zeit kennen lernen, die Uhr geriet dabei in Vergessenheit und wurde unwichtig. Wenn mich jemand einlud, mir was zeigen, mich auf einen schönen Umweg bringen wollte lernte ich dafür offen zu sein. Mein Tag war nicht mehr gesteuert von einem Zeiger der sich 24 mal um die eigene Achse dreht. Die Sonne, der Untergrund, das Wetter und vor allem die Leute gestalteten meinen Tag. Ein Gefühl des Treibenlassens - ich nahm alle Angebote wahr um mehr über die Kultur kennen zu lernen. Kilometer waren mir nicht mehr wichtig, die Reise entwickelte sich zu einem Abenteuerfilm bei dem ich das Privileg hatte, live mitspielen zu dürfen. Jeden Tag aufs Neue freute ich mich wenn morgens die Sonne die Umgebung erhellte und der Realfilm wieder weiter ging.
Auch wenn sehr viel Mut gefragt war und zugleich Ängste vor dem Ungewissen sich breit machten war mir schon nach wenigen Kilometern klar, das richtige getan zu haben. Ein überwältigendes Gefühl von Freude und Freiheit überkam mich, zigtausend Möglichkeiten meinen Tag zu gestalten, ich musste nur meinen Blick spitzen und mich für Ungewohntes, Dinge die mich vielleicht zuvor nicht interessiert hätten, zu öffnen. Jeder Tag war mit lernen verbunden, Lernen von den Leuten, der Natur, Akzeptanz und Respekt zu wahren. Ich erkannte die Wichtigkeit von Kommunikation die Annahmen, Ängste und Furcht vernichtet und ein geschmeidiges Gefühl des Miteinanders entstehen lässt. Ich habe mich für den ganzen Trip wenig über die bevorstehende Länder eingelesen um eine voreingenommene Haltung zu vermeiden und ein Land auf meine Weise zu entdecken.
Menschen aus Afrika fand ich schon immer interessant, sie werden in unserem Breitengrad nicht als was ganz normales angesehen, fallen auf und man tritt ihnen oft mit Vorsicht und Vorurteilen entgegen. Medien und Nachrichten leisten ihr übriges. Die wenigen Begegnungen die ich mit Schwarzen erleben durfte waren jedoch anders, ich war fasziniert von ihrer lockeren Art, hier "scheiß" Jobs zu machen aber trotzdem happy drauf zu sein. Sie schienen mir mehr zu Leben, "zu Leben" was bei uns mit zu viel Plänen, Regeln und Vorkehrungen verlernt wird oder im Geschichtsbuch schweigend archiviert. Sich an den kleinen Dingen zu erfreuen, einem Regenwurm über die Straße zuhelfen etc. sorgt jedoch nicht gerade für einen rühmenden Status im Sozialen Netzwerk. - Der Reiz herauszufinden warum andere Rassen so gravierend anders sind blieb erhalten und ich wollte nach Afrika. Wollte sehen wie die Menschen dort leben und Erklärungen für ihre gelassene Art finden, Neugier und Faszination spielten ebenso mit ein. Wie ich das machen wollte war mir jahrelang unklar.
Während meines Studiums machte ich eines Praxissemesters in Australien. Ohne Einkommen war das Leben teuer und so entstand aus einem finanziellen Engpass eine vierwöchige Reise mit einem Billigrad von Sydney nach Cairns (etwa 2.500km). Riesen Rucksack aufgesetzt und los ging's (Bild nebenan), überhaupt keine Vorbereitungen getroffen, nie was drüber gelesen wie andere Leute so mit dem Rad reisen, was man an Ausrüstung braucht etc. Auf meiner Fahrt war ich schnell verwundert und erfreut wie offen mich jeder empfing, mir half, Leute mich ständig einluden und mir ihre Türen öffneten, aus ihrem Leben erzählten, mich hinter die Kulissen schauen ließen.
Zurück auf einem Besuch in Deutschland war ich mal auf einem Vortrag von Carsten Schmidt der mit dem Rad in den 80ern durch Afrika gefahren war. Total gefesselt war ich von seinen Geschichten und Bildern, hatte jedoch riesen Respekt und glaubte für mich nie den Mut dazu zu haben. Es blieb die Jahre über aber immer im meinem Hinterkopf. Machte später noch ein paar weitere Radreisen in Australien und Neuseeland.
Die ganze Afrikadurchquerung wollte ich eigentlich mit einer Kanadierin unternehmen mit der ich damals in Australien eine halbe Stunde geplaudert habe als sie dort gerade mit dem Rad unterwegs war. Sie war bereits knappe zwei Jahre unterwegs und radelte weiter über Asien Richtung Türkei. Dort wollten wir uns treffen um dann zusammen einen Weg rüber nach Afrika zu finden um evtl. zusammen weiter zu Reisen falls unsere Reisestile harmonieren.
Es ist schwere Kost zu sehen dass ein Leben so gravierend anders verläuft je nach dem wo man geographisch auf diesem Planeten sein erstes Licht erblickt. Es macht mich traurig zugleich, so viele Menschen zu sehen die nicht die Möglichkeit haben zu tun was ich mache. Nur weil sie in einem Land geboren sind das nun mal keine wirtschaftliche Supermacht ist, sie keinen Passport besitzen, nicht mal ihren Geburtstag wissen und Bürger aus ihrem Land aus Angst der Übersiedlung nicht in reiche Wirtschaftsnationen gelassen werden. So oft wurde mir die Frage gestellt, "wie komme ich nach Deutschland", es ist traurig zu erklären dass es für sie nahezu unmöglich ist. Ich hingegen kann wie ein König in deren Land leben …